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Berufsunfähigkeitsversicherung: Trotz neuem Job ist Bezug der BU-Rente möglich

Wird man berufsunfähig und nimmt einen schlechter gestellten Job an, kann man dennoch eine BU-Rente beziehen. Das zeigt ein Urteil des Landgerichts Heidelberg.

Die Crux mit der Verweisung

Der staatliche Versicherungsschutz sichert nur das Risiko der Erwerbsminderung ab. Das bedeutet Sicherung auf niedrigem Niveau: Sobald ein Mensch mehr als drei Stunden am Tag arbeiten kann, muss er angebotene Tätigkeiten annehmen – und verliert dadurch den Anspruch auf Rentenleistungen. Diese Verweisungsmöglichkeit orientiert sich nicht einmal am vorher ausgeübten Beruf: Jede Erwerbstätigkeit muss angenommen werden, die als zumutbar gilt.

Anders verhält es sich mit dem Kriterium der Berufsunfähigkeit: Status und Lebenswirklichkeit des vorherigen Berufs sind hier der grundlegende Orientierungspunkt. Das zumindest gilt, seit viele Anbieter die Klauseln für die abstrakte Verweisung aus den Versicherungsbedingungen nahmen – solche ermöglichten ein ähnlich willkürliches Verweisen auf einen anderen Beruf, entpuppten sich aber als Gift für den Absatz. Heutzutage behalten sich viele Vertragswerke der BU-Versicherung nur noch die konkrete anstatt die abstrakte Verweisung vor.

Konkrete Verweisung: Bei Berufsunfähigkeit muss ein neuer Beruf dem alten ebenbürtig sein

Und hier sind die Bedingungen aus Kundensicht weitaus fairer: Eine konkrete Verweisung ist nur möglich, wenn a) der Versicherungsnehmer nach der Berufsunfähigkeit bereits von sich aus die Tätigkeit aufgenommen hat und wenn b) der Beruf in Ausbildung und Erfahrung sowie der Lebensstellung dem bisherigen Beruf ebenbürtig ist. Das Prinzip veranschaulicht ein Urteil des Landgerichts (LG) Heidelberg (Az. 4 O 165/16).

Was wurde vor Gericht verhandelt? Ein Industriemechaniker hatte seinen BU-Versicherer verklagt. Der Mann arbeitete seit Jahren für eine metallverarbeitende Firma. Die Arbeit aber belastete die Wirbelsäule stark. Das führte zu starken Rückenschmerzen, die einen Krankenhausaufenthalt notwendig machten. Die Ärzte diagnostizierten ein degeneratives Wirbelsäulenleiden – und in der Folge die Berufsunfähigkeit.

Also beantrage der Mann von seiner Versicherung den Bezug der Rentenleistungen. Allerdings nahm der Mechaniker im gleichen Jahr eine Stelle als Lagerist an. Deswegen lehnte die Versicherung eine Einstandspflicht ab durch konkrete Verweisung – der Mechaniker würde ja nun einem Beruf nachgehen, der seiner bisherigen Tätigkeit entspricht.

Der Mechaniker bekam Recht – und zum neuen Gehalt eine Rente

Der Mechaniker verklagte nun das Versicherungsunternehmen auf Zahlung der vertraglich zugesicherten Rente bis zum Ende der Vertragslaufzeit in 2028. Und er bekam Recht. Denn die Tätigkeit eines Lageristen unterscheidet sich derart von der Tätigkeit eines Industriemechanikers, dass eine Verweisung nicht zulässig ist:

  • Ein Lagerist wird nicht so gut bezahlt wie ein Industriemechaniker.
  • Das Anforderungsprofil eines Industriemechanikers ist anspruchsvoller als das einer Lageristen – Industriemechaniker wird man nur nach dreieinhalbjähriger Ausbildung, wohingegen die Arbeit eines Lageristen eine reine Anlerntätigkeit ist.
  • Als erfahrener Facharbeiter arbeitet ein Industriemechaniker selbstständig. Der Lagerist hingegen entspricht eher dem Rang eines Hilfsarbeiters – und muss sich oft anleiten lassen.

Weil das Gericht die Tätigkeit des Mechanikers höher bewertete, erhält der Mechaniker nun die Rente – 1.429,42 Euro monatlich. Aber auch das Gehalt des Lageristen von immerhin 3.434,97 Euro brutto bleibt dem Berufsunfähigen. Dieses Beispiel verdeutlicht das hohe Sicherungsniveau einer guten BU-Police – wer mehr wissen möchte, sollte sich an eine Expertin oder einen Experten wenden.

René Schmidtke
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